Spieler und Erbauer
Speziell wenn du mittendrin steckst, im Spannungsfeld der beiden Gruppen. Es geht um die „Spieler“ und die „Erbauer“. Vielleicht nickst du jetzt schon zustimmend oder du hast ein großes Fragezeichen über dem Kopf. Ich versuche es zunächst mit einem Beispiel, dann wird klarer was ich meine.
Im Kindergarten – das Beispiel
Stell dir vor, eine Gruppe von Kindern im Kindergarten und ein Haufen Bauklötze. Riesen Chaos, großer Spaß, alle fangen an, was zu machen. Auch wenn es auf den ersten Blick so scheint, spielen nicht alle Kinder auf die gleiche Art mit diesen Bauklötzen.
Dabei geht es mir gar nicht um die individuellen Unterschiede im Verhalten, natürlich spielt jedes Kind ein klein wenig anders als die anderen. Nein, es gibt – grob gesagt – zwei Gruppen von Kindern, die ganz unterschiedlich miteinander und mit den Bauklötzen umgehen.
Und diese beiden Gruppen sind nicht immer miteinander kompatibel, was oft genug zu bitteren Tränen und im Extremfall zu enormer Verbitterung führen kann. Es geht um die „Spieler“ und die „Erbauer“. Wobei es keine Wertung gibt, beides ist gut, aber beides muss verstanden werden.
Die meisten Kinder werden wohl die „Spieler“ sein. Sie spielen mit den Bauklötzen und was sonst noch so zur Verfügung steht. Sie bauen zusammen was, kichern, plappern, lassen ihre Puppen oder Spielzeugautos mit einfließen.
Zwischendrin werfen sie mal mit den Bauklötzen um sich, kabbeln sich, singen, lachen, malen, kommen dann zu den anderen Kindern mit den Bauklötzen zurück. Haben sichtlich eine Menge Spaß. Streiten auch mal, haben dann wieder Spaß. Miteinander, als Gruppe. Offen für jeden, der mitspielen will.
Die klassische Definition von Spaß steht im Vordergrund. Da gibt es kein „höheres Ziel“, es geht um den Spaß im Moment. Die Spieler leben im Hier und Jetzt, freuen sich ihres Lebens. Haben oft gute Laune, lachen, haben gern viele andere Kinder um sich. Ihnen fällt ständig was Neues ein, sie sind laufend in Aktion.
Sie üben auch große Anziehungskraft auf andere Kinder aus. Eben weil sie gute Laune haben, man kann mit ihnen viel Spaß haben und sie sind oft ganz liebe Menschen.
Und dann gibt es die Erbauer. Die scheinen weniger Spaß zu haben, wirken ernster. Sie sind alleine oder in ganz kleinen, geschlossenen Gruppen. Manchmal scheinen sie auch lange Zeit gar nicht dabei zu sein, sitzen da, schauen, beobachten. Und – was man über sie wissen muss um sie zu verstehen – sie spielen nicht, sie bauen. Das ist ein Unterschied. Man kann mit Bauklötzen spielen oder man kann mit ihnen bauen.
Sie haben einen Plan und den setzen sie um. Keinen Plan wie ein Architekt ihn hat, es sind schließlich kleine Kinder.
Aber sie nehmen sich zum Beispiel vor, einen großen Turm zu bauen und dann bauen sie einen großen Turm. Oft alleine, weil der Plan in ihrem Kopf ist. Nur in ihrem Kopf. Manchmal leben diese Kinder auch mehr in ihrem Kopf als in der „realen“ Welt. Aber nicht immer. Sie bauen das Ding, ziehen es durch und haben dann einen Turm. Nicht selten den höchsten den der Kindergarten je gesehen hat.
Es geht ihnen gar nicht darum, einen Turm zu haben. Sondern darum, einen zu bauen. Nicht spielen, bauen. Erschaffen. Schöpfen. Zielgerichtet. Oft alleine, denn wenn so ein Erbauer einen Plan hat, dann richtet sich seine ganze Lebensenergie darauf aus, diesen Plan umzusetzen. Und zwar so wie er in seinem Kopf ist.
Erbauer wirken oft unnahbar, manchmal seltsam. Oder sogar arrogant. Sie wollen nicht, dass jemand mitspielt. Mitbaut vielleicht schon, aber keinesfalls mitSPIELT. Denn da fängt das ganz große Problem an.
Beides kann in so einem Kindergarten sein. Spieler oder Erbauer. Bzw. Spieler UND Erbauer. Und da kracht es dann. Weil sie sich gegenseitig nicht verstehen. Es sind Kinder, in diesem Kindergarten und Kinder in dem Alter „verstehen“ das Verhalten anderer Kinder nicht. Altersbedingt. Da braucht es Erwachsene die vermitteln. Die aber auch erstmal verstehen müssen, was da vor sich geht.
Nicht selten grätscht so ein Spieler im Überschwang seiner Energie in den Turm des Erbauers. Oder es fliegt irgendwas durch die Luft und zerstört sein Werk, bevor es fertig ist oder danach. Oder er will einfach nur mitspielen. Und wird vom Erbauer rüde zurückgewiesen, was der Spieler gar nicht verstehen kann. Er will Spaß, er will Freunde, er will Spielen. Wieso stört er? Das versteht er nicht. Wieso darf er nicht lachen, wenn der Turm so schön zusammenkracht? Ist doch nicht so schlimm.
Und dann fangen die Schwierigkeiten an.
Ist nur ein blöder Turm aus Bauklötzen, was regt sich der so auf? … ja, objektiv betrachtet vielleicht. Aber was, wenn dieser Turm in diesem Moment die ganze Welt des Erbauers ist? Was, wenn dieser Erbauer gerade all seine Lebensenergie in diesen einen Prozess legt? Was, wenn der Plan, das Vorhaben, gerade sein Leben ist? Und der Spieler das nicht nur zerstört sondern auch noch darüber lacht?
Ein Spieler wird das niemals verstehen können. Er ist hier und da und in der nächsten Sekunde woanders und immer im Hier und Jetzt. Nicht in der Zukunft und schon gar nicht bei einem Plan. Er wird nicht verstehen, warum der Erbauer so bitterlich weint, er wird nicht verstehen warum der Erbauer sich zurückzieht, traurig ist, verzweifelt ist.
Er wird den Erbauer kurz als „komisch“ betrachten und dann sind seine Gedanken schon wieder ganz woanders. Der Spieler KANN es nicht verstehen. Das ist in ihm nicht angelegt.
Und die Erbauer verzweifeln daran, niemals „dazuzugehören“. Sie verzweifeln daran, dass niemand ihre Leistung sieht, niemand versteht was sie tun und warum. Niemand den Sinn in ihrem Handeln sieht. Sie werden zum Aussenseiter, sie stehen draussen, während drinnen die Party ist.
Jetzt könnte man sagen: „mei, Kinder sind halt verschieden“
Als Erwachsene
Aber es geht nicht um ein kindliches Verhaltensmuster, das sich „auswächst“. Es geht um eine grundverschiedene Herangehensweise an die Welt. Und die kann, je nachdem wie extrem sie ausgeprägt ist, in späteren Jahren zu großen Problemen führen.
Nicht alle Menschen sind in ihrem Verhalten so ausgeprägt dass sie eindeutig zugeordnet werden können. Aber manche eben schon.
Schwierig wird es immer dann, wenn Spieler und Erbauer in der Welt aufeinandertreffen, sei es beruflich oder privat oder gar politisch, und ihnen ihre Grundmuster nicht bewusst sind. Vielen Menschen ist nicht einmal bewusst, dass es verschiedene Grundmuster gibt. Wer findet in seinem mit Aktion überfrachteten Leben schon die Zeit über so etwas nachzudenken? Die Erbauer tun das vielleicht. Notgedrungen. Die Spieler eher weniger. Die haben ja ihre Party und die vielen Freunde und die Welt ist in Ordnung.
Spieler und Erbauer im Erwachsenenleben
Auch Erwachsene haben ihre Bauklötze. Natürlich sind es andere und sie sehen auch nicht nach Kinderspielzeug aus. Aber das Prinzip bleibt. Sicher ist die Trennung dieser beiden Gruppen nie ganz scharf.
Auch Spieler können was bauen und Erbauer können spielen. Es gibt viele Mischformen, die prima miteinander auskommen. Aber es gibt auch diejenigen die in ihrer Ausprägung klarer sind. Und die sind dann manchmal wie Hund und Katz, fühlen sich zueinander hingezogen und stoßen sich doch massiv ab.
Die Erbauer
Da haben wir die Erbauer, mit einem Plan, oder mehreren Plänen. Die ihre Lebensfreude und ihre Zufriedenheit daraus ziehen, Pläne umzusetzen. Etwas aufzubauen, etwas zu schaffen und zu erhalten.
Ein Erbauer hat Spaß daran, ein Unternehmen aufzubauen. Er kann 16 Stunden am Tag im Büro sitzen und arbeiten. Er kann ein Haus bauen, er kann sparen und investieren. Er kann planen. Er kann auch eine Familie oder eine Beziehung planen. Etwas aufbauen.
Manchmal zu viel, Erbauer leben oft zu sehr in der Zukunft. Aber sie ziehen es auch durch. Und wenn das was sie tun, dem Betrachter noch so banal erscheint. Es wird durchgezogen und danach funktioniert es auch. Meistens jedenfalls. Wenn die Anderen mitbauen oder zumindest nicht im Weg stehen.
Die Spieler
Und es gibt die Spieler, die ihren Spaß daran haben, herumzuspringen, Party zu machen, gute Laune zu verbreiten. Die bauen auch was, aber oft nicht so zielstrebig. Das sind oft Leute die viele Freunde haben, gerne ihr Leben genießen, Spaß haben.
Sie stehen im Mittelpunkt, nehmen das Leben nicht so tierisch ernst, vertrauen darauf dass es schon irgendwie laufen wird. Mit den festen Bindungen haben sie es nicht so, und um sowas wie eine „Altersvorsorge“ kümmern sie sich nicht so gerne. Irgendeiner wird schon zahlen, irgendwie gehts schon.
Für später was aufbauen ist langweilig, das ist öde, das ist Arbeit. Was nicht heißt dass sie nicht erfolgreich wären. Man schaue sich in der Szene der Künstler oder des Sports um, dort finden sich unglaublich viele Spieler. Aber alle spielen sie, sie bauen nicht. Oft haben sie einen Erbauer an ihrer Seite. Oder die Erbauer haben Spieler an ihrer Seite. DAS kann extrem erfolgreich sein.
Verständnis?
Die Erbauer können die Spieler nicht verstehen, denn warum bauen sich die nie etwas auf? Warum machen sie so viel auf einmal und nichts richtig? Warum bleiben sie nicht bei der Sache? Warum muss man die immer retten, weil sie selber nicht weiterdenken? Warum entwickeln sie sich nur nicht? Sie müssen doch verstehen!
So ein reiner Erbauer kann an dieser Frage verzweifeln. Speziell wenn es um Menschen geht die ihm nahestehen, wie der Partner oder gar die eigenen Kinder. Wieso erkennt dieser Mensch nur den Ernst der Lage nicht? Wieso schießt er alle guten Ratschläge in den Wind, wieso baut er sich nichts auf?
Wieso vertrödelt er seine Zeit mit irgendeinem Blödsinn, nutzt sie nicht zielgerichtet? Immer hat der Erbauer das Gefühl, den Spieler retten zu müssen oder zumindest durchs Leben schieben. Und nie bekommt der Erbauer ein Dankeschön, nein, wenns blöd läuft kriegt er nur einen Haufen Spott und steht am Ende alleine da.
Die Spieler verstehen den Ernst der Erbauer tatsächlich nicht. Wieso haben die keinen Spaß? Die müssen doch auch mal Spaß haben? Wieso analysieren die immer alles? Wieso sind die so zielstrebig? Wozu? Funktioniert doch sowieso immer alles? Warum ist der jetzt schon wieder sauer? Ich hab doch nix gemacht.
Der Spieler wird dabei viel weniger Energie darauf verwenden, den Erbauer zu verstehen als umgekehrt, weil der Spieler weitaus mehr Möglichkeiten hat, in der Welt zu agieren und auszuweichen. Ein Spieler analysiert nicht, er lacht, spottet und zieht dann weiter ohne einen Blick zurück.
Dieses Ungleichgewicht kann zu großen Problemen führen. Und zu sehr viel Schmerz, meistens auf Seiten der Erbauer. Die haben oft das Gefühl, die Spieler würden mit ihnen spielen. Nur dass die Erbauer dieses Spiel nicht beherrschen, quasi jedes Mal verlieren.
Die Spieler wissen oft gar nicht, warum der Erbauer plötzlich so „komisch“ ist. Warum er sich zurückzieht oder sich zum bösartigen Narzissten entwickelt und nun seinerseits beginnt, mit Menschen zu spielen.
Spirituelle Erbauer
Noch eine Nummer komplexer wird es, wenn ein Erbauer spirituelle Fähigkeiten hat. Wenn er viele Ebenen wahrnehmen kann, nicht nur die materielle.
Er gerät dann immer wieder in Gefahr, den Spieler in seinem Leben auf allen Ebenen zu sehen. Und was er da sieht ist nicht nur der Spaß und die gute Laune und das Spiel. Nein, er wird auch den Schmerz dahinter wahrnehmen. Der Erbauer nimmt das wahr, nicht der Spieler! Der kann das nicht und der wird das auch nicht.
Reagiert der Erbauer dann auf die Ebene die der Spieler gar nicht sieht, vielleicht in seinem ganzen Leben nicht, erntet er nur noch mehr Unverständnis und noch mehr Spott.
Die Chancen
Es handelt sich um zwei grundverschiedene Menschentypen und jeder von ihnen ist genau richtig, so wie er ist. Keiner kann dazu gebracht werden, sein ganzes Wesen zu verändern. Eine Lösung kann also nur darin bestehen, jeweils die „Gegenseite“ zu verstehen und seine Aktionen einzuordnen.
Das Problem, den Schmerz hat meistens der Erbauer und wenn du diesen Artikel bis hierhin gelesen hast, bist du vermutlich einer. Also muss auch die Lösung bei DIR, beim Erbauer liegen. Der Spieler sieht kein Problem, der Spieler analysiert auch nicht. Er tut das was er am besten kann: Spielen.
Der Erbauer ist dazu gerufen, das Thema zu verstehen. Die Art des Spielers zu verstehen, seine eigene Art zu verstehen und die Probleme die dazwischen entstehen. Und dann im Alltag umzusetzen, was er verstanden hat.
Seinen Umgang mit Spielern zu verändern. Denn die sind ja nicht verkehrt, sie können sogar in den Plan des Erbauers mit eingefügt werden. Immer dann, wenn gute Laune gefragt ist oder künstlerischer Ausdruck. Oder wenn Menschen begeistert, angesprochen oder zusammengeführt werden müssen.
Das können die Spieler nämlich sehr gut. Man darf sie nur nicht in ein zu enges Korsett packen und nichts von ihnen erwarten, das sie nicht leisten können. Das kann natürlich auch bedeuten, sich von Menschen zu trennen die in ihrer Art gar nicht zu einem selbst passen.
Wie auch immer die Lösung aussieht, sie beginnt immer mit dem Verstehen der Zusammenhänge und dem Verstehen von sich selbst. Wer weiß wieso er reagiert wie er reagiert, der kann an sich arbeiten und sein Leben so gestalten, dass die Menschen darin zusammenarbeiten. Und alle anderen getrost daraus entfernen.
Fragen dazu gerne an mich: mail@gerhard-zirkel.com